Es ist Sommerzeit. Wenn ich mich zurückerinnere, dann war das vor allem die Zeit, um in den Urlaub zu fahren – und dabei: Rast zu machen. Das war ein Kindheitserlebnis. Ich freute mich auf die Reise – und insbesondere auf die (erste) Rast. Die fand an der Autobahn-Rast-Stätte statt – oder auf einem Rastplatz ohne –Stätte. Die Mama hatte vorgesorgt – und das reichlich. Neben den üblichen Accessoires, die jede Rast wohl brauchte damals – Tischdecke und diese typischen Rast-Sachen eben – gab es gut belegte Brote, Obst und Säfte – und all das in einer Kombination, die im Alltag so nicht üblich war. Verbunden mit einer Brise Improvisation und Freiheit – als Gegenmodell zu anderen rituell eingenommenen Mahlzeiten im Alltag. Die Rast war für mich wohl auch deshalb eine Sehnsuchtszeit, weil sie so anders war als die gewohnten Alltagserfahrungen und -zeiten. Dadurch und wohl auch durch die Unterbrechung der lange herbeigesehnten Reisezeit wurde die Rast zu etwas ganz Besonderem. Nach dem langen Packen und dem endlich Losfahren war die erste Rast die Annäherung an die ersehnte Urlaubszeit. Sie gehörte bereits dazu, war quasi die erste wirkliche Urlaubserfahrung. Sie war der Einstieg in eine Zeit, in der die sonst vielbeschäftigten Eltern nahezu uneingeschränkt verfügbar, ansprechbar, froh und zufrieden, entspannt und enthetzt erschienen. Die erste Rast signalisierte: Ja, wir sind jetzt genau dahin unterwegs. Zu dieser besonderen Zeit mit einer hohen Erfahrungs- und Erlebnisdichte jenseits belastender Alltäglichkeiten. Und jetzt gibt’s erst mal eine Rast! Ich kannte natürlich – damals oft noch weitgehend ritualisierte – Pausen. Aber die Rast war etwas anderes. Irgendwie schöner, insgesamt wohl durchgängig positiv (selbst bei Regen). Sie fand auf einer Reise in den Urlaub – oder auch auf einer anderen langen Fahrt – statt. Ich mochte das Rasten. Wovon es viele Bilder gibt. Die schauen heute irgendwie gleich aus, aber sie erfreuen mich. Kinder und Erwachsene mit Stullen in den Händen, die in die Kamera lächeln. Entspannt und offenbar mit viel Freude zugange beim Rasten. Und mit Vorfreude auf das Kommende. Im Gegensatz zur allgemeiner daherkommenden Pause, findet die Rast meistens auf einem Weg statt. Auf einem Wander- oder Radweg oder auf dem Weg in den Urlaub, auf einer Reise, oder auf dem Weg von A nach B. Wofür es oft auch spezielle Orte gibt, Rastplätze, die bitte sauber zu halten sind, versteht sich. Damit die Rast auch den später Rastenden Freude machen kann. Denn die Rast profitiert von schönen Orten. Rastplätze mit Ausblick sind insofern allseits beliebt. Die Rast ist eine Pause beim Unterwegs-Sein. Das ist an ihr so speziell. Denn das Unterwegs-Sein löst bestimmte Gefühle aus. Ich bin auf dem Weg. Momentan zur Sommerzeit ist es der Weg in den Urlaub. Oder dann auf der Wanderung auf dem anstrengenden Weg zum Gipfel. Bei der Rast, die beides braucht und die auch gemacht wird, wenn es sie nicht braucht, weil das Ritual es so vorsieht, wird ausgeruht, aufgetankt, ver- und entsorgt, damit es dann gut weitergehen kann auf dem Weg zum Ziel. Dafür schwingt beim Rasten auch eine Vorfreude mit. Rasten ist insofern eine Zeitqualität mit vielen positiven Emotionen. Die mag unser Hirn und quittiert es mit mehr positiven Gefühlen. Das ist anders als bei der Pause, wenn es danach wieder an die Anstrengungen der Erwerbsarbeit geht. Das „Rasten“ ist bei vielen Menschen mit Urlaubs- oder Freizeiterinnerungen verbunden – auch das weckt meist positive Gefühle. Und das schon vorab der eigentlichen Rast. Wie auf unseren damaligen Urlaubsfahrten gibt es bereits unterwegs Vorfreude auf die Rast: „Papa, wann halten wir endlich zum Rasten?“ Die Rast ist ein emotional nahezu rundum positiv besetztes Gegenmodell zur alltäglichen Hast. Auch dieses Hasten könnte gelegentlich gut ein Rasten gebrauchen. Das ist aber kulturell so nicht verankert. Ersatzweise nehmen viele das Ausrasten, wenn sie wieder mal in Hektik verfallen. Die Rast, wie wir sie von Urlaubsfahrten, Wanderungen und Radtouren kennen, wäre ein schönes Modell zum Umgang mit der heute nahezu allgegenwärtigen Rastlosigkeit. Sie würde sich von der Pause durch mehr Differenzerfahrung unterscheiden. Vielleicht durch einen schönen, einen anderen Ort bei einem kleinen (Spazier-) Gang, einen ganz persönlichen eigenen Rast-Platz. Probieren Sie’s doch mal. Hasten mit schönen Rasten. Bei der Rast in der Urlaubszeit können Sie ja mal darüber nachdenken.

Und: Rastplatz bitte sauberhalten!

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Aktuelle Veröffentlichung zum Thema „Zeit“: Frank Michael Orthey: Im Konflikt der Zeiten. In: Die Mediation. Fachmagazin für Wirtschaft, Kultur und Verwaltung. Ausgabe III/2018, Steinbeis Stiftung, Stuttgart, S. 17 – 21

Frank Michael Orthey: Zeitumstellung. Für einen guten Umgang mit der Zeit. Haufe-Lexware.

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Kategorien: Zeitforschung

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