„Das ist ja eine Geduldsprobe.“ „Das stellt meine Geduld auf eine harte Probe.“ „Nur Geduld!“ „Du musst nur geduldig sein.“ Diese oft gehörten Sätze und Appelle bekommen angesichts der Corona-(Un-)Geduldserfahrungen eine neue Bedeutung. Jedenfalls was die Tragweite und die zeitliche Reichweite dessen angeht, was wir „Geduld“ nennen. Kaum jemals mussten so viele Menschen so lange geduldig sein, der Dinge (welcher denn eigentlich?) harren, die da auf sie zukommen. Geduldig warten! Mit der Warterei ist es ja sowieso so eine Sache, aber jetzt auch noch mit Geduld. Wir müssen jetzt geduldig sein! So lautet der oft gehörte Politikerappell. Was heißt das denn bitte? Füße stillhalten ohne aufmüpfig zu werden? Ruhe bewahren und Klappe halten. Warten auf jeden Fall – ja, aber dabei die Contenance wahren. So in die Richtung wohl. Es hat wohl was mit Zeit zu tun und mit Gelassenheit, was wir „Geduld“ nennen. Das müssen wir ertragen jetzt! Erst mal Wikipedia fragen – wie wir mit „digitaler Ungeduld“ überversorgten Mediennutzer es reflexartig zu tun gewohnt sind: „Das Wort Geduld (auch altertümlich: Langmut) bezeichnet die Fähigkeit zu warten oder etwas zu ertragen. Oft gilt Geduld als eine Tugend; ihr Gegenteil ist die Ungeduld. Als geduldig erweist sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig bewusst zurückzustellen. Diese Fähigkeit ist eng mit der Fähigkeit zur Hoffnung verbunden. Geduldig ist auch, wer Schwierigkeiten, Leiden oder lästige Situationen mit Gelassenheit und Standhaftigkeit erträgt.“[1] Soso.

Das wünschen sich unsere tapferen Politiker wohl, dass wir angesichts der Dauerzumutungen von Pandemie und den Folgen die Leiden ertragen und unsere Sehnsüchte und Wünsche zurückstellen in der Hoffnung, dass nach dieser Krise „alles anders sein wird“ – das ist ja die aktuelle Dauereinredung. „Besser“ anders, so ist zu hoffen, aber zu befürchten ist, dass es auch neue Umschlagprozesse geben wird, die mehr als nur Geduld erfordern werden. Hungersnöte, Kriege und alle diese (mit beiden Augen fest verschlossen) hinter uns gelassen geglaubte, unangenehmen Dinge. Mehr Krisen.

Da ist der Appell an unsere Geduld wohl nur die Vorbereitung auf etwas, das mehr erfordert. Aber Geduld! Soweit ist es ja noch nicht.

„Sich in Geduld“ üben, das ist eine der vielen kleinen Chancen der Krise. Üblicherweise und gewohnheitsmäßig werden Wünsche übererfüllt, die Zeit zur Bedürfnisbefriedigung wird kürzer (jedenfalls für gewisse, privilegierte Kreise), Störungen werden konsequent getilgt, sodass alles immer schneller und natürlich gleichzeitig „funktioniert“. Jetzt funktioniert erst mal vieles gar nicht mehr – anderes überraschenderweise ganz gut. Womöglich ist das deshalb so, weil es doch viele geduldige, hoffnungsvolle Menschen gibt, die es aushalten können, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und geduldig etwas zu tun, was wichtig ist für andere. Viele müssen auch nix tun, sondern etwas seinlassen. Das ist oft umso schlimmer: geduldig die Hände in den Schoß zu legen und zuhause zu bleiben. Das ist ein Geduldsspiel! Kaum zu ertragen. Sich reduzieren, Wünsche und Sehnsüchte zurückstellen. Geduldig zu Hause bleiben.

In unserer Beschleunigungs- und Vergleichzeitigungsgesellschaft war Geduld eher etwas, das es bestenfalls gar nicht brauchte, weil ja alles klappte – solange es denn klappte. Wenn es mal nicht klappte, fehlte uns deshalb oft die Geduld. Zum Beispiel bei Verspätungen öffentlicher Verkehrsmittel – Mensch, waren das noch Zeiten, als uns so was beschäftigte. Geduld braucht es „damals“ nur im Ausnahmefall, Geduld war ein Ausnahmezustand. Jetzt wird sie gefordert im Ausnahmezustand. Und wir hatten sie so lange nicht gebraucht, sie deshalb vielleicht sogar verlernt. Geschweige denn, dass wir auf dem Schirm hatten, dass sie ja eigentlich eine Tugend ist, diese Geduld. Nun dürfen – und müssen – wir sie wiederentdecken.

Der indogermanische Verbursprung steht übrigens für „tragen, ertragen“. So tragen wir schwer an dem, was wir zu ertragen haben. Geduldig? Gelernt werden könnte, dass es eine Qualität ist, die viele ZeitgenossInnen wohl weitgehend verloren hatten. Zu warten, etwas zu tragen, manchmal auch bewusst zu verharren, etwas – gerade: das Zuhause- und Fernbleiben – zu ertragen. Und es zu nutzen, beispielsweise um darüber und über vieles andere mal wieder gründlich nachzudenken. Auch darüber, was wir mit unserer ganzen störungsfeindlichen Ungeduld alles zugedeckt, weggedrückt und aus den Augen verloren haben.

Das braucht Mut. Lange. Langmut – so hieß die Geduld früher mal.

Bleiben Sie frohen Langmutes!

Denn: „Geduld rettet Leben.“  So der bayerische Ministerpräsident Markus Söder heute, am 14.04.2020.

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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Geduld, abgerufen am 13.04.2020, 11.00 Uhr.


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