Nein, es ist nicht die Pause gemeint! Das war ja zu jenen „alten“ Zeiten, damals also, eine geplante kleine Auszeit. Ein Ausstieg aus dem Fluss des Arbeitens. Mit festgelegten Anfangs- und Endzeiten. Da wurde der Hammer fallen gelassen und die Butterbrotdose geöffnet. Um dann – nach der Lektüre der Lokal- oder oftmals eben auch der Bild-Zeitung – pünktlich die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Pause war eine heute fast romantisch und auch irgendwie nostalgisch anmutende Zeitform.
Selbst da, wo es die Pause noch gibt, z.B. in der Schule, ist sie eher zum Gefäß für das geworden, was hier gemeint ist: für die Unterbrechung!
Wir unterbrechen uns selbst bei allem, was wir so tun und lassen permanent selbst. Meist lösen wir die Unterbrechung aus, indem wir unser Smartphone herausziehen und übers Display wischen. Das passiert durchschnittlich alle 12 Minuten, 60 Mal am Tag wird der ständige Begleiter durchschnittlich entsperrt, 12 % der Teilnehmer einer Untersuchung der Universität Bonn (2014) machen es 96 Mal. Nicht zum Telefonieren, denn nach einer Studie mit 150.000, natürlich via einer App intervenierten Probanden, nutzen die Teilnehmer das Gerät durchschnittlich drei Stunden am Tag. Wir checken zunächst, was sich auf Facebook getan hat, wer uns eine WhatsApp geschrieben hat usw. Für diese Unterbrechungen geht viel Zeit drauf. 25 Minuten durchschnittlich für Facebook, Twitter and more und 34 Minuten für WhatsApp pro Tag. Telefoniert wird mit den „Mobiltelefonen“, die eher mobile PC-Lösungen sind, nur rund 10 Minuten im Durchschnitt. Na ja, es gibt ja auch so viel anderes zu checken, wenn es denn schon mal entsperrt ist.
Oder wir nutzen die Unterbrechung, wenn sie denn schon mal da ist, für eine Unterbrechung der Unterbrechung. Indem wir z.B. schnell zur Spiele-App wechseln und eine Runde „Timberman“, „Asphalt 8 Airborne“, „Riptide GP2“, „RunBot“,  „Candy Crush“ oder „Battlefield“ spielen. Vielleicht erreichen wir ja das nächste Level. Wir schätzen offenbar diese Art der Selbstunterbrechung. Und mal abgesehen von Stimmen, die vermutlich berechtigterweise die These vertreten, dass uns diese Lieblings-Unterbrecher klammheimlich spielsüchtig machen, sind sie richtige „Zeit-Raffer“. So heißt es jedenfalls im Magazin der Süddeutschen Zeitung.
Es verhält sich womöglich ähnlich wie mit Alkohol – nur hier gibt’s die Ersatzdroge nahezu umsonst. Und schon sind wir dahin. Und unterbrechen uns am laufendem Band.
Aus welchen Gründen?
Wollen wir uns ablenken von den ganzen Aufmerksamkeiten, die uns tagaus tagein abverlangt werden? Uns frei und autonom erleben, in dem, was wir tun? Mal eben zwischendurch ein Stückchen Freiheit. Aber für was? Um noch unfreier zu werden. Das aber wenigstens selbstbestimmt. Oder wollen wir uns aufmerksam machen für Anderes als den Alltagstrott? Für das, was in der Welt passiert – oder jedenfalls passieren könnte? Für Bilder, die wir noch nicht kennen? Für andere, die wir (noch) nicht kennen? Für unsere tiefen innersten Bedürfnisse? Für das Spiel angesichts des ganzen aufgetürmten und erdrückenden Ernst des Lebens? Oder für Kontakte, die wir schmerzlich vermissen – zum Teil eben durch deren Virtualisierung? Für noch mehr neue Möglichkeiten für zukünftige Zeiten.
Mögliche Antworten kommen widersprüchlich daher. Die vermeintliche Lösung lässt uns tiefer in das Problem schlittern. Wir machen uns abhängig von Unterbrechungen. Die entlasten uns womöglich vermeintlich oder vielleicht sogar tatsächlich, aber eben nur kurzfristig. Wie auch immer: Wir unterbrechen uns ständig in unserem Weg durch die Zeit. Vielleicht mögen wir auch die Anmutung, dass wir kurz innehalten. Für den Preis der Abhängigkeit von den neuen Versklavungen der selbstgewählten Abhängigkeit.
Stopp für eine andere Unterbrechung!
Lösung im Zeitgeist: Eine neue App soll künftig sicherstellen, dass wir uns heute mal nicht auf Facebook herumtreiben oder das Handy mal für ein paar Stündchen ausschalten. Ob das mal klappt?
Vermutlich bekommen viele dann Entzugserscheinungen von den fehlenden Unterbrechungen. Unterbrechungsnotstände allerorten aller Zeiten.
Zeit für eine echte Pause!
Vergessen Sie nicht: die Musik entsteht erst durch die Pausen.

Und die haben Anfang und Ende.

Ohne Unterbrechung.

Quellenhinweise:

https://www.uni-bonn.de/Pressemitteilungen/009-2014

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/42328/Die-Zeit-Raffer

Kategorien: Zeitforschung

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