Wir sind in der Fastenzeit. In der katholischen Kirche ist dies eine „geschlossene Zeit“, die durch Aschermittwoch und das Osterfest begrenzt wird. In dieser Zeit soll es um Besinnung und Verzicht gehen, darum, sich selbst und sein Leben in den Blick zu nehmen. Verzicht ist in dieser Zeit Ressource, nicht Belastung. Mit Einfachheit und Verzicht kann Komplexität reduziert werden. Statt ausufernder, quasi symphonischer verschränkter Vielfalt von Zeiten nun die Strenge und klare fugenartige Gliederung, die durch Weglassen und Begrenzung entsteht. Unser durch Multitasking and more überanstrengtes Hirn dankt es uns. Es kann sich neu sortieren, Verschaltungen überprüfen, andere ausprobieren und neue vordenken und vorsehen. Eine geschlossene, begrenzte Zeit eignet sich dafür ganz gut. Als Training quasi. Jesus soll das in der Wüste 40 Tage ziemlich konsequent vorgemacht haben. Das wäre dann schon so eine Art Trainingslager – unter auch räumlich anderen Bedingungen. Wenn wir diesen Gedanken aufgreifen, könnten wir auf die Idee kommen, es doch in der Fastenzeit mal mit dem Verzicht auf bestimmte Zeiten zu versuchen. Zeiten-Fasten in der Fasten-Zeit. Trainingshalber versteht sich. Das aktuell ziemlich angesagte Auto-Fasten geht in diese Richtung. Genaugenommen haben alle präferierten Formen der Abstinenz auch zeitliche Dimensionen. Es wird meist auf Zeiten des Genusses verzichtet – zugunsten solcher Zeiten, die eher auf die eigene Person, auf Einkehr, Besinnung und auf andere Menschen gerichtet sind. Diejenigen die sonst immerzu in den Chor der Jammerer einstimmen müssen, keine Zeit zu haben, könnten es jetzt mal probieren, wie es denn wäre, zumindest diejenige Zeit (wieder) zu haben, die üblicherweise zu solcher Klage und Verdruss führt. (Bestimmte) Zeiten zu fasten könnte bedeuten, sich bewusst zu werden, wie und in welchem Umfang Zeiten an Arbeitstagen und an arbeitsfreien Tagen verwendet werden. Auf Basis dieser Selbsteinschätzung (Selbsteinschätzung-Fasten-Zeiten) kann dann sehr gezielt überlegt werden, welche Zeiten wann und in welcher Weise und mit welchem Ziel und Nutzen mal probehalber weggelassen werden können.

Konkret könnte das – je nach Ihrer konkreten Einschätzung – bedeuten:

  • Besprechungs- und Organisationszeiten zu begrenzen,
  • sich wieder mehr an den Rhythmen der Naturzeiten zu orientieren,
  • Reisezeiten zu begrenzen,
  • sich kleine (tägliche, wöchentliche) „zeitliche Biotope“ zu schaffen, die „heilig“ (i.S.v. unantastbar) sind (für mich selbst, für andere).
  • zu bestimmten begrenzten Zeiten konsequent offline zu sein (stundenweise, tageweise, am Wochenende),
  • offline in den Tag zu starten, z.B. nach dem Frühstück und offline aus dem Tag zu gehen, z.B. vor dem Abendessen, denn danach ist Smartphonefasten angesagt,
  • Vergleichzeitigungen zu vermeiden und die Zeiten im nacheinander zu ordnen nach persönlichen Bedürfnissen, nach Lust und sachlicher Wichtigkeit,
  • im Kalender Pausen, Rituale und Organisationszeiten vorzusehen,
  • öfters mal eine (bewusste und „richtige“) Pause zu machen, in der Fastenzeit z.B. jeden Mittag von 12.30 bis 13.30 Uhr,
  • am Wochenende mal „nichts tun“. Wirklich nichts! Probieren Sie es mal, wenn Sie vor anspruchsvollen (Fasten-) Aufgaben nicht zurückschrecken,
  • sich auch in der Zeitlichkeit abzugrenzen: zwischen Arbeit und Privatleben, zu anderen, in der Aufgabenerfüllung, in der Organisation,
  • gezielte Zwischenzeiten, zeitliche „Dehnungsfugen“ einzuplanen – zum Abschließen und als Übergang für das Nächste. Und als Puffer, wenn es mal mehr Zeit braucht als der Plan es vorsah …
  • Tage – am Wochenende oder im Urlaub – mal ganz ohne Pläne und anstrengende sogenannte „Freizeiten“ zu verbringen,
  • das nächste Meeting mal mit einer Minute Warten zu beginnen statt mit …
  • es mal wieder wie vor den Zeiten des Internet zu machen: Nur noch zweimal am Tag den (elektronischen) Postkasten leeren (und nicht unentwegt) – und einmal am Tag die Post wegzubringen!

Sie können sich mal überlegen, wofür das jeweils eine Lösung sein könnte – oder eben auch nicht. Und sich was überlegen, das besser zu ihnen passt – und der Fasten-Zeit-Annahme des Verzichtes folgt.

Legen Sie für sich drei Fasten-Zeit-Vorsätze in einem kleinen Zeiten-Fasten-Zeit-Vertrag mit sich selbst fest – und schauen Sie an Ostern mal, wie er sich bewährt hat, was brauchbar für die Zukunft nach der Fasten-Zeit ist. Denn die kommt ja. Vielleicht ist es eine Zukunft mit mehr eigenen „geschlossenen Zeiten“, wie es die Fastenzeit ja ist. Trainiert hätten Sie es dann jedenfalls mal. Für alle Fälle.

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Frank Michael Orthey: Zeitumstellung. Für einen guten Umgang mit der Zeit. Haufe-Lexware.

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