Mit dem Altern ist es so eine Sache: Alt werden wollen alle, alt sein aber dann doch nicht so viele. Schön wäre es, wenn es gelänge, Wege zu entdecken, die ein gutes, ein stimmiges Älterwerden und -sein ermöglichten. Wege, die realistisch, nicht ablenkend oder schönfärbend, die passend sind – und es bleiben. Es liegt bereits hier nahe, dass das nur höchstpersönlich und ganz individuell gelingen kann, weil unterschiedliche Menschen Unterschiedliches brauchen, auch im Alter und beim Altern. Hilfreich wäre es nichtsdestoweniger, wenn diese persönlichen Prozesse in einer Kultur aufgehoben wären, die das Alter würdigt, es nicht zum hochglänzenden (Selbst-) Marketingprojekt verunstaltet, die nicht die Illusionseinredungen des „Forever-Young“ befeuert, sondern das Alter als Quell von Ressourcen schätzt, einer Kultur, die das Alter nicht mit der Zunahme von Gebrechlichkeiten und Pflegenotständen gleichsetzt oder mit der Unfähigkeit zur Präsidentschaft (über Joe Biden: „zu gebrechlich, zu vergesslich, zu alt!“), es nicht als zu managende gesellschaftliche Belastung sieht, sondern es als gesellschaftlichen Schatz hütet und die Werte dieses Schatzes bestmöglichst schützt. So, dass der Schatz glänzen und sein Anblick und seine Berührung andere bereichern kann.
Da stellt sich die Frage: Wie kann es gelingen, eine aktive und kreative innere und äußere Kultur des Alterns zu entwickeln?
Spätestens hier wird klar, dass Persönliches und Kulturelles zusammenhängen, weil beides miteinander verwoben ist und sich gegenseitig beeinflusst (bestätigend dazu die aktuelle Studie Lang/Lessenich/Rothermund 2022). In meiner Kindheitszeit in einem kleinen handwerklich und landwirtschaftlich geprägten Dorf, sahen alte Menschen völlig anders aus als heutzutage – obwohl sie vermutlich noch gar nicht so alt waren. Es waren eben „Alte“ – und sie verhielten sich meiner Erinnerung nach auch auf eine bestimmte „alte“ Art und Weise. Saßen auf der Bank und erzählten sich Geschichten von früher. Kleideten sich wie alte eben. Rauchten Zigarren oder Pfeifen. So oder so ähnlich: persönliche Formen des Alterserlebens haben etwas mit dem jeweiligen kulturellen Kontext zu tun. Und umgekehrt. Kulturelle Kontexte ermöglichen manches – und begrenzen anderes. Sie rahmen insofern das, was persönlich möglich ist. Und das, was persönlich möglich ist, wirkt zurück auf den kulturellen Kontext.
Intelligente Menschen werden in diesem Kontext ihre persönlichen Wege finden können. Bevor es hierzu einige Impulse gibt, wähle ich zunächst den Weg über die künstliche Intelligenz, die ich gefragt habe:
Wie kann ich gut alt werden?
ChatGPT hat am 06.06.2024 um etwa 09.30 Uhr dies geantwortet:
„Gut alt zu werden ist ein Wunsch, den viele teilen. Hier sind einige Tipps, wie du dies erreichen kannst:
Körperliche Gesundheit
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- Regelmäßige Bewegung: Aktivitäten wie Gehen, Schwimmen, Radfahren oder Yoga können helfen, den Körper fit zu halten und das Herz-Kreislauf-System zu stärken.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann helfen, Krankheiten vorzubeugen.
- Regelmäßige Gesundheitschecks: Regelmäßige Besuche beim Arzt können helfen, gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Geistige Gesundheit
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- Geistig aktiv bleiben: Lesen, Rätsel lösen, neue Sprachen lernen oder Musikinstrumente spielen können helfen, das Gehirn fit zu halten.
- Soziale Kontakte pflegen: Soziale Interaktionen können das Gefühl der Einsamkeit reduzieren und die geistige Gesundheit fördern.
- Achtsamkeit und Stressbewältigung: Techniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen und die geistige Gesundheit zu stärken.
Emotionale Gesundheit
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- Positive Einstellung: Eine positive Lebenseinstellung kann helfen, besser mit den Herausforderungen des Alters umzugehen.
- Dankbarkeit praktizieren: Tägliche Dankbarkeitsübungen können helfen, das Wohlbefinden zu steigern.
- Ziele und Hobbys: Sich Ziele setzen und Hobbys nachgehen kann das Leben erfüllter machen.
Soziale und emotionale Aspekte
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- Freundschaften und Familie: Pflege deine Beziehungen zu Freunden und Familie. Diese sozialen Netzwerke sind oft eine wichtige Quelle der Unterstützung.
- Engagement und Freiwilligenarbeit: Anderen zu helfen kann dir ein Gefühl von Zweck und Zufriedenheit geben.
Sicherheit und Lebensumfeld
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- Sicheres Zuhause: Sorge dafür, dass dein Zuhause altersgerecht ist, z.B. durch rutschfeste Matten und gute Beleuchtung.
- Finanzielle Sicherheit: Eine gute finanzielle Planung für das Alter kann viel Stress und Sorgen reduzieren.
Weiterentwicklung und Lernen
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- Lebenslanges Lernen: Sei offen für neue Erfahrungen und Weiterbildungen. Das kann helfen, dich jung und engagiert zu fühlen.
- Technologie nutzen: Lerne, wie du neue Technologien nutzen kannst, um in Verbindung zu bleiben und deinen Alltag zu erleichtern.
Indem du dich auf diese verschiedenen Aspekte konzentrierst, kannst du nicht nur deine Lebensqualität im Alter verbessern, sondern auch aktiv und gesund bleiben.“
Soweit die Künstliche Intelligenz.
Das klingt nicht unintelligent – und kann brauchbar sein für ein gutes Altern. Das entscheidende Wort ist das „kann“ oder das „können“ – Worte, die die KI intelligenterweise durchgängig in ihrer Antwort nutzt. Konjunktiv also. Kann, muss nicht.
Es gilt also das, was sein kann, und was – nicht nur künstliche – Intelligenzen für sinnvoll halten, für sich selbst brauchbar zu machen, damit es gut wird mit dem Alter und das Altern stimmig erlebt werden kann. Das führt zu den Bedürfnissen. Durch die Beantwortung der bedürfnisleitenden Fragen nach dem „Wozu“, kann ich meiner persönlichen Alternsstrategie auf die Spur und auf die Schliche kommen. Wozu aber das Ganze?
Damit es für mich gut, sprich stimmig, passend, womöglich beglückend und freudvoll wird, was mir da schwant in all seiner Ambivalent.
Wenn diese persönlichen Formen des Alterns sich breit machen würden in den Gesellschaften dieser Welt, sprich, wenn über sie gesprochen würde, wenn ein kommunikatives Band des „erfolgreichen Alterns“ (Havighurst 1963) entstünde, dann könnten Kulturen aktiven und kreativen Alterns entstehen. Das wäre dann keine „alternde Gesellschaft“ oder „überalterte Gesellschaft“, wie ja gelegentlich mit leicht abwertender Untertönigkeit genannt wird, was demografisch unübersehbar ist. Es wäre auch kein „Methusalem-Komplott“ (Schirrmacher) zu befürchten, keine kollektive Vergreisungsbedrohung, keine gesellschaftliche Überalterung, kein Aussterben, sondern die Vielfalten des Alterserlebens und -gestaltens wären zu einer gesellschaftlichen Attraktivität verfestigt, die immer wieder neue Perspektiven eröffnet. Das wäre dann eine Alterskultur, die natürlich auch ihr Gegenteil braucht, die Jugendkultur und all das, was dazwischen liegt. Alles jedoch mit Blick auf Ressourcen und Möglichkeiten und nicht auf Limitierungen und Belastungen. Solche gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen würden wieder zurückfärben auf das Individuelle, das Höchstpersönliche. Beides in guter Verschränkung ergäbe etwas Leichtes – bei aller Beschwernis, die die Begrenzungen des zunehmenden Lebensalters so mit sich bringt. Leichtigkeit im Alter und mit den Alten – das wäre doch was. Man wird ja noch a mal träumen dürfen …
Bis es so weit ist, bleibt erst mal genug damit zu tun, es selbst gut hinzubekommen. Höchstpersönlich, aktiv und kreativ, krea(k)tiv. Kunstwort, o.k., aber was steckt drin?
Es ist (wieder mal) „die Haltung hinter der Handlung“: Altern ist nicht etwas, das mir nur widerfährt oder das ich erleiden muss, sondern Altern ist ein Übergangsprozess, der im Fortschreiten des Lebens aktiv gestaltet wird. Und dies – krea(k)tiv – eben gestalterisch. Das ist etwas anderes als ein Altersrezept, das für alle gleichermaßen gut ist, sondern es ist eine auf Basis der eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten gestaltete Form des Lebens und Erlebens beim Altern. Und ja, das ist kreativ, notwendigerweise, weil es so besonders, so speziell und so einzigartig, so persönlich ist. Es ist mehr Kunst als Handwerk.
Und es ist ein Prozess, es ist eine Reise. Eine Reise zu neuen, bisher unbekannten Eindrücken und Erfahrungen. Eine Reise an Orte, die bisher unerreichbar weit weg erschienen und die nun quasi auf dem Weg der Reise ganz nahe liegen. Womöglich ist es auch eine Reise mit Irr- und Umwegen. Aber die erhöhen ja bekanntermaßen die Ortskenntnis.
Es verspricht also interessant zu werden – manche sagen heute auch gerne „spannend“. Und damit ist meist eine gewisse Uneindeutigkeit verbunden. „Spannend“ kann sowohl eine Reaktion sein, die tatsächlich für Spannung im besten, belebenden Sinne sorgt, es kann aber auch eine kommunikationsschließende Floskel sein – eher im Sinne von, etwas vermeintlich interessant zu finden, aber eigentlich keine Lust zu haben, sich damit zu beschäftigen. Und irgendwo dazwischen spannt sich was hoffentlich Interessantes auf für die derart vom Alter bedrängten oder beseelten.
Dass es interessant werden kann, bedingt zunächst die Bereitschaft, sich Gedanken über das Altwerden zu machen, es nicht zu verdrängen oder zu verleugnen. Damit, also mit der Bereitschaft, sich Gedanken über das Altwerden zu machen, fängt es an, interessant zu werden. Nicht nur, weil das Gedankenmachen ja impliziert, dass ich noch denken kann …
Dann also denken.
Denken mit aller Freiheit, denn das soll ja „die vielleicht größte Chance des Alters“ sein: „die geistige Freiheit“ (Riemann/Kleespies 2016, S. 179). Wozu? Um einen geeigneten, persönlichen Weg für die Reise des Alterns zu suchen und zu finden. Daran schließen sich weitere Wozu-Fragen an, die nur höchstpersönlich beantwortet werden können. Denn sie führen auf die tatsächlichen Bedürfnisse zurück. Ob ich das Bedürfnis habe, möglichst viel von der Welt zu sehen, macht einen Unterschied zum Bedürfnis, einen Beitrag zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in der Welt zu leisten. Da muss also jede oder jeder selbst ran. Das ist ja Teil der Freiheit.
Hier ein zusammenfassender Überblick, der richtungsweisend sein kann für den Weg der Reise zu aktivem und kreativem Altern. Mit Empowerment im Übergang 😉
Damit eine Kultur des aktiven und kreativen Alters möglich wird.
Innen und außen.
Bei allen möglichen sinnvollen und bestenfalls hilfreichen Orientierungen für aktives und kreatives Altern: Es bleibt wohl immer eine Ambivalenz, auf die eine aktuelle Studie deutlich hinweist: „Persönliche Zukunftspläne für das Leben im Ruhestand werden zu einem Hort der Ambivalenz, in dem der Wunsch nach einer von Selbsterfüllung, Glück und Aktivität geprägten Lebensphase schier untrennbar vermengt zu sein scheint mit der Furcht vor dem Verlust von Selbstbestimmung und mit der resignierten Hoffnung auf ein möglichst kurzes, schmerzloses Lebensende.“ (Lang/Lessenich/Rothermund 2022, S. 8)
Manchmal helfen im Leben auch Vereinfachungen – und erleichtern das Nachdenken. Lang/Lessenich/Rothermund (2022, S. 144) schlagen vor: „Statt aber ‚die Alten‘ großgruppenförmig zu vereinheitlichen und als ‚besonders‘ – ob nun besonders schutzbedürftig, produktivitätsträchtig oder würdigungswürdig – auszuweisen, wäre es an der Zeit, ‚das Alter‘ schlicht als das zu verstehen und zu verhandeln, was es im Grunde genommen ist: Eine weitere Phase des Lebens halt. Nichts anderes (und ‚Anderes‘), so selbstverständlich wie die vorherigen Lebensabschnitte – und wie die womöglich noch folgenden.“
„Altern als Zukunft“, so der Titel der Studie der Volkswagenstiftung, heißt das auf den Punkt gebracht.
Das so zu sehen – so viel Freiheit soll sein.
An anderer Stelle in diesem Blog (Altern (1)) hatte ich geschrieben, dass Altern „der große Zwang zur kleinen Freiheit“ sein könne. Eine Errungenschaft der „späten Freiheit“ könnte es auch sein, sich von den Zwängen freizumachen und sie final zu verabschieden. Um sich freizumachen für die späte Freiheit des Alters.
Aktiv und kreativ.
Dann hat Altern Zukunft.
Ein Alter(n) ohne Herausforderungen ist witzlos.
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Literatur
Geißler, Jonas/Orthey, Frank Michael: Creactive Aging. Krea(k)tiv Älter werden: Altern als Entwicklungsressource. In: Laske, St./Orthey, A./Schmid, M. (Hg.): PersonalEntwickeln.142 Erg. Lfg., September 2010, 6.91
Havighurst, Robert J. (1963). Successful aging. R. Williams, C. Tibbits, & W. Donahue (Editors), Processes of Aging (Vol. 1). New York: Atherton Press.
Lang, Frieder R./Lessenich, Stephan/Rothermund, Klaus: Altern als Zukunft – eine Studie der VolkswagenStiftung. Springer Verlag, Open-Access-Publikation 2022
Riemann, Fritz/Kleespies, Norbert: Die Kunst des Alters. Reifen und loslassen. Ernst Reinhardt Verlag, München, Basel. 6. Auflage 2016
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