Glaubt man den einschlägigen Äußerungen aus der Zeitmanagement-Szene, dann lauern sie überall und klauen uns die kostbare Zeit. Deshalb werden sie auch gelegentlich als Zeitdiebe verfolgt. Das sind quasi Verbrecher, die es auf unser wertvolles Gut abgesehen haben. Sie operieren als Trickdiebe, nutzen Zeitformen, die uns auch nützlich sein könnten, z.B. das Warten oder die Pausen. Manchmal werden auch überraschende (unangemeldete!) Besucher zu Zeitdieben diskreditiert. Dabei hatten wir uns doch eigentlich über ihr unerwartetes Auftauchen gefreut. In einschlägigen Portalen finden wir jedoch unangekündigte Besuche als „Zeitdiebe“ deklariert. Na ja, stimmt ja auch irgendwie, denn jetzt ist die anders eingeplante Zeit weg (andererseits ist aber zwischenzeitlich neue nachgekommen ;-). Man (und frau) stelle sich das mal vor. Da gibt es was, das frisst und stiehlt uns unsere Zeit weg! Einfach so. Deshalb versucht uns die Zeitmanagement-Polizei auch mittels Planung vor diesem schlimmen Schicksal zu bewahren. Das wird wohl nix werden – außer dass schlaue Füchse den Werkzeugen des Zeitmanagements auf die Schliche kommen und feststellen, dass die Zeitmanagement-Tools zu Zeitfressern und –dieben geworden sind, weil wir unsere Zeit nun damit verbringen, unsere Zeit zu planen und diese Planung zu kontrollieren und zu korrigieren, damit wir sie nicht gestohlen bekommen … Na ja, das ist ja ein überschaubarer, weil widersprüchlicher Nutzen. Die Zeit geht einstweilen ihren Gang. Was soll sie auch sonst tun?

Da kommen E-Mails, Chefs, Kollegen, Besprechungen, Team- und Projektarbeiten, Computer und andere Alltäglichkeiten und klauen uns – die Zeit. Konsequenz der gut sortierten Zeitmanagement-Szene: unsere Zeitdiebe und Zeitfresser ausfindig machen und sie an ihrem Treiben hindern. Das gelingt in der Regel durch Formen der Ordnung, Planung und Kontrolle. Und funktioniert anfangs meist ganz gut – außer, dass noch etwas zu unserem Zeithaushalt hinzukommt, was uns Zeit kostet, uns Zeit nimmt. Nach einiger Zeit (!) lassen die anfänglichen Erfolge nach und wir werden vollends zu Opfern der gemeinen Zeitfresser. Das sind quasi Hyänen, die keine Gnade kennen und uns bei lebendigem Leibe zerfleischen. Manchmal lassen sie uns noch etwas zappeln – aber dann ist es irgendwann vorbei. Manche kapitulieren, brechen zusammen und enden in der Burn-Out-Klinik. Da sind keine Zeitfresser, sondern nur andere bedauernswerte Opfer der Hyäne. Sie sitzen im Stuhlkreis, entdecken ihren Körper und ihre Zeit wieder, arbeiten an ihrer Resilienz und anderem Höchstpersönlichen und lassen sich durch den Tag und die Zeit treiben – lediglich gestört durch therapeutische, medizinische und sportliche Unterbrechungen. Bis es dann wieder Zeit ist für das Leben und die Zeit danach. Dort gibt es oft Achtungs- und Anfangserfolge gegen die gefürchteten Hyänen und Zeitverbrecher. Aber dann kommen sie oft wieder, die gefürchteten Zeitfresser und -diebe – nun mit noch raffinierteren Methoden.

Nach Zeitfressern und Zeitdieben zu suchen und diese womöglich auch zu finden, ist eine Frage der Beobachtung. Worauf richte ich meine Aufmerksamkeit? Wie sehe und deute ich die Zeit (und anderes auch)? Beim Suchen, Finden und Bekämpfen von Zeitfressern und Zeitdieben beobachte ich meine Welt auf Defizite hin, darauf, dass mir etwas weggenommen wird – und ich es mir zurückhole. Übrigens handelt es sich um etwas, das mir genaugenommen gar nicht gehört. Das ist wohl die Sehnsucht, die derart defizitorientierte Beobachtungen befeuert: Die Kontrolle über etwas zu erlangen, das mir nicht gehört, über das ich „in Wirklichkeit“ keine Macht habe. Wenn ich „Zeitfresser“ und „Zeitdiebe“ eliminiert habe, dann, ja dann, habe ich mehr Macht und mehr Kontrolle. Je nach eigener Bedürfnisausrichtung mag das entlastend sein. Wenn ich in meinen Bedürfnissen beispielsweise eher organisiert und bewahrend bin, mag mir das Gefühl von Macht und Kontrolle gut tun. Was wirkt, das wirkt. Dass dieser Zugang auch etwas verstellt, ist der Preis einer solchen Weltsicht. Die andere Seite der mehr oder weniger wirksamen Jagd nach Zeitdieben und Zeitfressern ist der Verlust von (nicht nur) zeitlicher Lebendigkeit. Keine Überraschungen mehr, weniger zeitliche Flexibilität, weniger Vielfalt. Das ist der Preis der Jagd nach Zeitfressern und –dieben. Wer das will, der soll sich auf die Jagd begeben. Wer etwas anderes will, der- oder diejenige könnte an seinen/ihren Beobachtungsunterscheidungen auf diese Welt arbeiten. Und sich im Erfolgsfalle dazu verleiten lassen, nach Ressourcen zu suchen statt nach Defiziten. Und dann zeitliche Vielfalt (wieder-) entdecken – und sich die Zeit zur Freundin machen. Und mit ihr gute Zeiten verbringen. Einschließlich nötiger Begrenzungen von diesem und jenem. Denn es ist nicht alles zu allen Zeiten und gleichzeitig möglich. Auch nicht in guten Freundschaften. Statt gejagt und verfolgt wird in freundschaftlichen Beziehungen allerdings eher gesprochen, verhandelt und vereinbart. Immer wieder neu. Auch das hält lebendig und macht das Leben und die Zeiten interessant.

Auf eine gute Freundschaft mit Ihren Zeiten!

Und zunächst einmal eine schöne Adventszeit, die man sich unter Freunden ja gelegentlich gegenseitig „besinnlich“ wünscht. Ohne Zeitfresser und – diebe wird das schon werden mit der Besinnlichkeit auf die Schönheit dieser Zeit der Erwartung.

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Wenn Sie ein kleines Zeitfenster für weitere Zeitfragen haben, dann gibt es für weitere Ausblicke auf das Thema:

Frank Michael Orthey: Zeitumstellung. Für einen guten Umgang mit der Zeit. Haufe-Lexware.

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Kategorien: Zeitforschung

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