… dann ist das eine andere, eine alternative Form mit der Zeit umzugehen. Eine andere jedenfalls als die einer Zeitmanagement-Logik, die Zeit im Sinne der „time-is-money“-Annahme als zu bewirtschaftendes und zu planendes knappes Gut begreift. Ich mache es oft anders – und ja, ich kann es mir auch leisten. Manchmal jedenfalls, denn ich bin recht frei in meinem Umgang mit meinen Zeiten, zumindest in sogenannten „Bürozeiten“. Nur damit es vorab klar ist: ich bewältige ein nicht unerhebliches Arbeitspensum mit hohem Output. Aber ich mache manchmal, was ich gerade will und lasse mich von einem zum Anderen tragen. Auch wenn ich morgens einen Plan habe, was ich machen möchte, wollte, sollte. Manchmal sogar als Liste mit Nummern (nach der ALPEN-Methode!) priorisiert. Wenn’s gut läuft, gerate ich aber – spätestens bei Punkt 1 der Liste, manchmal bereits früher! – in einen lebendigen Prozess, in dem eines das andere ergibt. Die Liste ist dabei nur noch so eine Art Landkarte, wo es hingehen könnte. Die Arbeit an einem Blogbeitrag führt bei einer Recherche auf eine Website, ich erhalte einen Impuls, schreibe schnell einen Text dazu, der passt zu einem Konzept, das ich gerade entwickle und ich mache ein Arbeitsblatt daraus. Wenn ich dann schon mal bei diesem Konzept bin, schaue ich mir den Seminar-Leitfaden an, mache ein Update, wobei mir auffällt, was noch zu klären ist mit dem Auftraggebersystem und dem Bildungshaus. Die Telefonate und Mails erledige ich noch bevor ich merke, dass meine Konzentration nachlässt und ich mein Laufzeugs anziehe und einen schnellen Lauf „ums Feld“ mache. Duschen, Essen, kurzes Ruhen und ab in die Nachmittagseinheit usw. Der Bürotag hat um 09.00 Uhr begonnen und endet in der Regel um 19.00 Uhr (und hat Elastizität bis 20.00 Uhr). Abzüglich der Pause für Sport, Essen und Ruhen sind das acht produktive und für mich stimmige Stunden Arbeitszeit. Wenn denn eines das Andere ergibt. Sich aus ihm heraus erschließt, entwickelt.

In diesem Modell fließt eines ins andere, manches bleibt liegen, wird verschoben, es war halt nicht die Zeit danach heute. Die war nach etwas Anderem. Die Produktivität, die entsteht, wenn es gelingt, die Zeiten so laufen, fließen zu lassen, ist bei mir außerordentlich hoch. Und die Zufriedenheit sowieso. Manchmal ist „von einem zum Anderen“ auch was ganz Anderes dabei als das, was auf der morgendlichen Liste stand. Aber das kommt in der Regel auch ganz gut weg. Spätestens morgen 😉

Das ist idealtypisch und es passt zu mir und meinem „Zeittypen“. Das habe ich herausgefunden mit einem Instrument, das wir in der Zeitberatung verwenden. Ich bin in meiner Zeitverwendung auf der Tätigkeitsachse (zwischen Wandel/Veränderung und Ordnung/Wahrung) einerseits auf der Seite der Veränderung und auf der Beziehungsachse (zwischen Distanz/Autonomie und Nähe/Geborgenheit) andererseits eher auf der Seite der Distanz ist. Ich nenne diesen „Zeit-(Verwendungs-)Typen“  im Schema, das wir nach Fritz Riemann umgearbeitet haben, einen „autonomen Zeit-Fragmentierer“. Das passt ja. Zu mir jedenfalls und wie ich so von einem zum anderen komme.Aber es passt nicht immer.

Es passiert auch, dass nicht eines das Andere ergibt. Weil sich was anderes ergibt als das, was ich mir gewünscht hätte, sich zu ergeben. „Kunde droht mit Auftrag“ beispielsweise oder es ist Administration zu machen oder ein Seminar, das wirklich morgen und eben nicht irgendwann beginnt, final vorzubereiten, Telefonate (mit lieben Menschen) zu führen, die ich nicht führen möchte jetzt (sondern zu anderer Zeit), zum Helferkreisstammtisch zu gehen, der eben um 19.00 Uhr losgeht, wo ich aber gerade mal wieder eine Eingebung habe für irgendwas unglaublich Wichtiges, Tolles usw. Dann werde ich oft unzufrieden, für meine Umwelt wohl eher unerträglich. Ich zweifle, grantle und wurschtele mich so durch – durch irgendwas, kommt es mir vor. Es kommt auch irgendwas dabei heraus, aber oft frage ich mich abends: „Was habe ich denn heute eigentlich gemacht?“ Obwohl viel vorwärts gegangen ist. Aber wohl nicht so oder nicht dahin vorwärts, wie ich es gerne gehabt hätte. Da hat sich nichts ergeben, kein lebendiger, sondern ein aus meiner Sicht brüchiger, unbefriedigender, langatmiger und zugleich stressiger Prozess. Die Ergebnisse sind o.k. – es musste ja gemacht werden, aber für mich war es nicht stimmig. Der Tag entsprach nicht meinem zeitlichen Bedürfnismuster, obwohl er genaugenommen auch fragmentiert war …. Auch das kenne ich, dass die Zeiten, würden sie mit der Stoppuhr gemessen, wohl ähnlich aufgeteilt wären, aber ihre Qualität und ihre Abfolge eben nicht meinen Grundbedürfnissen entsprachen. Diagnostisch geht es in eine ähnliche Richtung wie die Zeittyp-Einschätzung. Nun mit den zeitlichen Bedürfnissen im Blick – und im Modell des Fünfecks der Zeiten aus meinem Buch „Zeitumstellung“:

Auf den Skalen in den jeweiligen Zeitdimensionen bin ich bei den Aufgabenzeiten eher kreativ, bei den Organisationszeiten eher spontan, bei den Kulturzeiten eher flexibel, bei den Eigenzeiten eher unabhängig und bei den Sozialzeiten eher distanziert. Das passt nun ziemlich gut zur Unzufriedenheit angesichts sachlicher (und nicht kreativer) Aufgaben, organisierter und nicht spontaner Organisation, bewahrender statt flexibler Kulturzeiten (Stammtisch), bezogener statt unabhängiger Eigenzeiten und naher statt distanzierter Sozialzeiten (Gespräche). Ich verstehe meine Unzufriedenheit jetzt besser – so scheint es mir.

Diese Bedürfniseinschätzung ist nicht so zu verstehen, dass derart – ähnlich wie ich 😉 – gestrickte Menschen asozial oder unorganisiert sein müssen. Ich bin im Coaching und Training in stimmigen, gut balancierten Kontakten in Beziehung, mein Schreibtisch ist aufgeräumt und ich habe für bestimmte Arbeiten sehr organisierte Strukturen, die ich halte, weil ich sie für hilfreich und nützlich halte. Meine (zeitlichen) Grundbedürfnisse sind aber anders – wenn ich könnte, wie ich wollte …

Aber was nun?

Das Ergebnis ist für mich als jemand, der sich mit Zeit- und (Selbst-) Führungsfragen beschäftigt, wenig erstaunlich: Es handelt sich gar nicht um Zeitfragen, sondern um Qualitätsfragen bestimmter Zeiten. Es geht in der Zeitberatung auch meistens um höchstpersönliche Muster und Themen – und nicht um Fragen zeitlicher Koordinierung und Synchronisation. Es kommt nur erst mal als Zeitthema daher. Es geht jedoch genauer betrachtet um die Qualität der Inhalte der Zeiten und ihrer Abfolgen. Natürlich können wir es uns nicht immer „in einem lebendigen Prozess“ aussuchen, wie die Qualität der Zeiten sein soll. Für viele ZeitgenossInnen kommt da zum Beispiel keine Steuererklärung oder Buchführung vor. Bei mir jedenfalls nicht. Muss ich aber trotzdem machen. Und mache ich auch. Meine Selbstbeforschung hat ergeben, dass es sich eher um zeitliche Abfolgen handelt, die bei mir Stimmigkeits- oder eben Unzufriedenheitsgefühle auslösen. Und daran kann, besser wohl: könnte ich schon etwas ändern. Und wenn es nur das ist, mir kleine Pausen zu gönnen bevor ich große nötig habe. Danach gibt dann oft wieder eines das Andere.

Gute Zeiten!

„Die Zeit ist kein Zeitraum, sondern eine Ordnung.“ (Ludwig Wittgenstein)

***

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Frank Michael Orthey: Zeitumstellung. Für einen guten Umgang mit der Zeit. Haufe-Lexware.

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Kategorien: Zeitforschung

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