Es liegt heute im Trend, nahezu allem was Rätsel aufgibt, durch Koppelung mit dem Management-Begriff die Aura der Machbarkeit einzuhauchen. Einerseits kann dies als Indiz für die völlige Durchdringung des Lebens und Arbeitens mit Einredungen und Wirklichkeiten der Ökonomie gedeutet werden. Andererseits verheißt die Zugabe einer Brise „Management“ die Steuerbarkeit des Nicht-Steuerbaren: Wissens-, Sozial-, Kultur-, Kunst-, Bildungs-, Selbst- und eben auch Zeit-Management. Das löst reflexartigen Speichelfluss aus – zuallererst bei denjenigen, die sich für die Kompetenzentwicklung solch spannungsgeladener Management-Konstruktionen zuständig erklären. Flugs waren von ihnen Zeitmanagementseminare entwickelt – und erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit und Nachfrage. Kein Wunder bei den Nöten der Zeitgeplagten. Aber auch kein Wunder angesichts der Beimischung des Management-Begriffes, der ausreichend Garant für Berechenbarkeit, Kalkulierbarkeit, Steuer- und Machbarkeit zu sein scheint. Die Postmoderne neigt zu Steigerungen und Überanstrengungen. Unter anderem, indem es besonders reizvoll zu sein scheint, grundlegend Unverträgliches sprachlich zu kombinieren. Und damit zu vermitteln, dass es doch irgendwie gehen – sprich: gemanagt werden – kann. Nur: Wie kann etwas „gemanagt“ werden, das uns gar nicht vollends zugänglich ist? Etwas, das uns nicht „gehört“, das wir nicht besitzen und es auch nicht beeinflussen können? Etwas, was Konstruktion von Beobachtern ist, eine jeweils sehr spezifische personenbezogene und situative Vorstellung? Etwas, von dem es so viele unterschiedliche Bilder gibt wie Menschen? Wie kann dies, wie bitte kann Zeit „gemanagt“ werden?

Womöglich eben wegen der Unmöglichkeit des Vorhabens begegnen eilige Marketing-Zeitgenossen den sich aus der Vielfalt der Lebensmöglichkeiten entwickelnden – nicht nur zeitlichen – Dilemmata mit der gebetsmühlenartigen Promotion des Zeit-„Managements“ und sprechen damit offenbar nach wie vor sehr wirkungsvoll eine verbreitete Sehnsucht an. Unter Umständen wird das Angebot noch mit einer Brise „Nachhaltigkeit“ versehen, denn das geht gerade gut – am Markt. Ebenso wie der passende Ratgeber zum pädagogischen Angebot (inkludiert in der Kursgebühr). Zeitmanagement ist eher ein (erfolgreiches) Marketingprodukt auf einem boomenden Markt der Selbstoptimierung als eine erfolgsversprechende Lösungsstrategie.

Insofern entpuppt sich Zeitmanagement in vielen Fällen dann irgendwann doch eher als eine Machbarkeitsillusion, die erst mal mit schnellen standardisierbaren Lösungen blendet und vermeintliche Anfangserfolge aufweist. Dann allerdings kommt es zum oft kläglichen Scheitern, weil die angebotenen „Werkzeuge“ von günstiger Baumarktqualität nicht zur Qualität der Situationen passt, die eher hochwertige Spezialwerkzeuge brauchen, die auch zum Handwerker, zu seinen Bedürfnissen und Kompetenzen, zu seinen speziellen Mustern und Marotten passen.

Letztlich läuft Zeitmanagement auf Planung hinaus. Wenn ich beginne, Zeit als etwas zu beobachten, das geplant werden kann, dann erscheint eben dies erst mal als entlastende Lösung: Yes we can, wir schaffen das, Zeit ist planbar! Und die Dilemmata, in denen ich mich zeitlich befinde, sind auch planbar (obwohl sie oft gar nichts mit Zeit zu tun haben, sich nur in der Zeitdimension auswirken, aber egal: planbar sind sie!). Und ein Plan gibt Sicherheit. Und ist mach- und handhabbar. Als Plan. Und wenn ich dann sogar noch den vielherbeigerufenen „Plan B“ habe – meist so eine Art Vorrichtung für den Fall, dass Plan A nicht klappt -, dann kann gar nichts mehr passieren. Also wird eifrig geplant. Die Pläne wirken durchdacht, blenden mit Übersichtlichkeit und einer systematischen Abfolge von ToDos. Schicke Tools und Apps steuern diejenige Ästhetik bei, die wir kennen und brauchen heutzutage und erhöhen die Glaubhaftigkeit des schier Unglaublichen. Das tut erst mal gut. Oft wird vergessen, dass ein Plan das eine, seine Umsetzung aber das andere – und auch etwas anderes – ist. Na ja. Der Plan steht erst mal. Es ist ein Zeitplan. Den blinden Fleck dieses planvollen Gedankengangs bringt uns ein Immanuel Kant-Satz nahe: „Pläne machen ist mehrmalen eine üppige, prahlerische Geistesbeschäftigung, dadurch man sich ein Ansehen von schöpferischem Genie gibt, indem man fordert, was man selbst nicht leisten kann, und vorschlägt, wovon man selbst nicht weiß, wo es zu finden ist.“ Sah trotzdem gut aus, der Plan.

Bei den Planungen des klassischen Zeitmanagements wird zudem oft die Lösung mit dem Problem bekämpft: so wird zum Beispiel zeitlich aufwändiger Planung mit zeitlich (noch) aufwändigerer Planung begegnet. Auch die ToDo- oder Prioritäten-Liste braucht ihre Zeit, ganz zu schweigen vom „Controlling“ und der meist erforderlichen Umplanung, wenn das Leben mal anders läuft als die schöne Liste es vorsieht. Dadurch ist Zeitmanagement oft ein Beschleuniger für das Hamsterrad, in dem wir uns gefangen fühlen. Schade eigentlich.

Zudem leben wir ja nicht nur in der Zeit, sondern auch im Raum. Aber wer käme bitte auf die Idee, für sein Leben ein „Raummanagement“ zu machen? Also in einer Liste festzulegen, in welchen Räumen er sich (wann) aufhält: Toilette, U-Bahn, Büro, Wohnzimmer, Terrasse … Wir bewegen uns eher flexibel in denjenigen Räumen, die zu dem passen, was wir wollen und brauchen  – oder was gerade ansteht oder notwendig oder sinnvoll erscheint. Und klar ist dabei, dass wir nicht überall gleichzeitig sein können. Die Zeit wollen viele aber managen – womöglich auch, damit sie möglichst viele Räume und Sehnsuchtsorte erleben, besuchen und entdecken können. Nichtsdestoweniger wählen wir Orte und Räume aus, die wir mögen oder die wir besuchen wollen. Wir treffen räumliche und örtliche Entscheidungen, die zu uns passen. Günstigstenfalls jedenfalls. Die Zeit aber soll in einer Art und Weise gemanagt werden als hätte sie nichts mit uns, mit unserer Person, unseren Bedürfnissen und Vorlieben zu tun. Wir wollen ihr eine verlässliche Ordnung geben. Das ist nachvollziehbar, aber es kann nur dann gelingen, wenn diese Ordnung zu uns als Person passt, also zu dem, wie wir höchstpersönlich ticken – und wie wir ticken wollen.

Das kann eher gelingen, indem wir unsere Einstellung zur Zeit überprüfen, sie als Ressource und nicht als zu bewirtschaftendes Gut begreifen. Und sie dabei wieder oder anders neu entdecken.

War also nix mit dem Zeitmanagement – wird aber immer noch gerne genommen. Verständlicherweise.

Wenn das Zeitmanagement nicht funktioniert, was ist dann mit den Herausforderungen und Problemen der Zeit? Und wie? Und wann?

In der neu erschienen „Zeitumstellung“ biete ich einige Möglichkeiten für einen bedürfnisorientierten Umgang mit der Zeit an. Günstigstenfalls können Sie damit Ihr ganz persönliches zeitliches Navigationssystem füttern, das sie dann sicher durch die Zeit begleitet.

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Kontakt zum Autor:

Das Seminar „Wege zur persönlichen Zeitumstellung“ finden Sie hier.

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Kategorien: Zeitforschung

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