Endlich unterwegs. Lange ersehnt. Und jetzt wirklich: Zeit haben. Vermeintlich erst mal ohne Ende. Na ja, bei genauerem Bedenken und eine Nummer kleiner formuliert, zumindest ohne die üblichen Beschränkungen. Das ist ungewohnt. Und es braucht seine Zeit, um es zu realisieren – und vielleicht auch, um ein bisschen zu verstehen, was sich da ändert. Das kann erst mal eher allgemein daherkommen als eine Veränderung mit dem Bruch der üblichen zeitlichen Gewohnheiten, Routinen und Muster. Es kann sich konkret darin ausdrücken, sich nicht mit allerlei Listen abzugeben, die ja unseren Alltag stark prägen. Und auf To-Do- und am besten auch auf Not-To-Do-Listen oder auf Let-it-be-Listen zu verzichten. Denn die folgen ja dem gleichen Muster: demjenigen der Reduktion von Komplexität durch Listen. Selektion erfolgt durch zeitliche Planung. Das haben wir so gelernt und kaum jemand verzichtet im Alltag darauf. Obschon das zeitliche Zumutungen vieler Art produziert, zum Beispiel durch Planungstools, die auch für andere offen sind. Wenn also jemand aus der Organisation Termine setzen kann in den eigenen Kalender. Das sein zu lassen und es auf Platz eins einer Not-To-Do-Liste zu setzen, ist ein Prä-Unterwegs-Sein-Reflex, der das bekannte Muster nutzt. Also auf P 1 der Let-it-be-Liste: Outlook-Kalender der Firma öffnen, P 2: Täglich Mails checken, P 3: Firmen-Handy einschalten usw. Sauber aufgelistet gibt das vor dem Urlaub oder beim Unterwegs-Sein auf Reisen eine entlastende Orientierung, wie das denn zeitlich (nicht wieder) werden soll. In den ersten Tagen klappt das und führt dazu, Zeit zu finden zum Ruhen, zum Erfahren und Ergehen, zum Rasten und zum Erleben, zur Muße, zum Verweilen, Verbleiben – oder wie auch immer wir uns das innerlich und auch unseren Zeitgenossen gegenüber benennen, was sich da geändert hat. So erklären wir uns den im Urlaub oder beim Unterwegs-Sein wiederentdeckten Zeitwohlstand. Das macht Sinn für uns und wir freuen uns über die gewonnene, die wiederentdeckte Zeit.

Eine andere Sinn-Perspektive: Unterwegs-Sein, das ist etwas Räumliches. Gerade jetzt wo dieser Text entsteht, sind es rund 6000 Kilometer im Wohnmobil in den vergangenen zwei Wochen (und es geht noch weiter). Natürlich gab es einen (groben) Plan, der mit dem Erreichen des nördlichsten Punktes Europas „abgearbeitet“ werden konnte. Innerlich (es gab keine Liste über Stationen der Reise). Und dann? Das war nicht geplant – außer: Durch die norwegischen Fjordenlandschaften gondeln und bleiben, wo es uns gefällt. Interessanterweise setzen wir das zeitliche Muster fort, das sich – ungeplant – etabliert hatte. Täglich Fahren, Ankommen, sich Einrichten und Staunen über die unbekannte, neue und meist beeindruckende Umgebung, Essen, Trinken, Schlafen. Und weiter … Bis es nicht mehr passte. Dann Musterbruch mit wechselnden zeitlichen Rhythmen des Verweilens und des Wieder-Unterwegs-Seins. Auch die Etappen des Unterwegs-Seins änderten sich. Mal weiter, mal kaum der Rede wert. Das erklärt sich der forsche Zeitforscher dann gerne mit der Entfaltung der Ressource des Loslassens und der Gelassenheit, die so viel Anderes und Neues ermöglicht. Jedenfalls kommt uns das mit Blick auf unsere Alltagserfahrungen so vor, wenn wir uns von den Plänen gelöst haben. Was aber auch irgendwie banal ist. Aber egal, wenn es uns froh macht, weil wir es als (zeitlichen) Luxus empfinden, was wir da so er-fahren, dann ist alles gut. Wunderbar.

Eine weitere Steigerung der Sinnfreiheit, die zum neuen Sinn wird, ist diejenige, es den Mustern des Alltags mal so richtig zu zeigen. Der Plan des Unterwegs-Seins – sorry das ist paradox, weil es ihn ja gar nicht gibt – besteht darin, Pläne zu machen, um sie anderentags (spätestens) über den Haufen zu werfen und dann andere neue Pläne zu machen, um sie dann wieder … Ja sie ahnen es schon. Und sich daran zu erfreuen. Das ist auch die Freude darüber, es den Plänen als solche mal so richtig gezeigt zu haben. Sie sind nämlich nichts wert. Außer dass es klar ist, was zu verwerfen und anders zu machen ist. Das ist das Muster des Unterwegs-Seins.

Oder, um es etwas bescheidener zu formulieren und ohne weiter den Rachegelüsten den (zeitlichen) Plänen gegenüber zu folgen: der Sinn kommt aus dem Unterwegs-Sein und dem, was sich da so ergibt dabei. Räumlich und zeitlich. Wo es uns hintreibt und wie lange. Das empfinden wir als zeitlichen Luxus. Und schreiben es uns auf P 1 unserer Transferliste für die Gestaltung derjenigen Zeiten, die denjenigen des Unterwegs-Seins folgen werden: uns öfters mal treiben lassen – jenseits oder wider aller Pläne. Vielleicht trauen wir uns auch, uns zu verschreiben, es auch im Alltag den Plänen und Planungen mindestens einmal am Tag mal so richtig zu zeigen. Selbstbestimmt versteht sich. Das wäre der Plan.

ToDo- oder Not-ToDo-Liste: Let it be. Es sind nur Pläne.

Gute Zeiten beim Unterwegssein auf Reisen – und auch danach! Manchmal geplant planlos Unterwegs-Sein in den Zeiten des Alltags. Auch keine so schlechte Perspektive 😉

Astrid und Frank Orthey.

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Zur (Nach-) Urlaubslektüre beim Unterwegs-Sein geeignet: Frank Michael Orthey: Zeitumstellung. Für einen guten Umgang mit der Zeit. Haufe-Lexware.

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