Die Zukunft wird uns enteignet.

Seit vielen Jahrtausenden war die Zukunft etwas, das vor uns lag, etwas, das wir uns erhofften, ersehnten, etwas, das wir uns so zusammenbastelten, wie es für uns reizvoll und brauchbar erschien. In dem Wissen, dass es doch ganz anders kommen könnte. Wir träumten von einer besseren Zukunft, indem wir auf die nicht ganz so tolle Vergangenheit und die etwas trübe Gegenwart schielten. Die Zukunft musste es bringen. Es war schließlich die unsrige. So war das.

Jetzt aber kommt zu den ganzen Möglichkeiten, die wir heuzutage zu haben wähnen, noch etwas gänzlich Neues hinzu: Die Zukunft wurde uns enteignet. Wir erträumen sie uns nicht mehr nachts und malen sie uns rosig aus. Wir entdecken sie täglich, wenn wir unsere diversen Netzgeräte einschalten. Sie erscheint uns als Vorschlag für neue Produkte, die wir uns aneignen könnten, als Lese- oder Urlaubsempfehlung oder als Hinweis für eine Diät. „Dieser Artikel könnte Ihnen gefallen.“ Ja, aber woher wissen die das eigentlich? Können die meine Gedanken lesen?

Wir sind eben ziemlich genau vermessen worden durch unsere zahllosen Netzaktivitäten beim Googeln, beim Einkaufen und Rumserven. Wir sind im Netz bekannter als wir es uns selbst sind. Deshalb bekommen wir ziemlich passgenaue Vorschläge serviert, an denen wir uns orientieren. Denn tatsächlich, die Vorschläge sind gut, sie passen. Kein Wunder, denn wir sind gläsern geworden durch unser mediales Verhalten. Wir sind durchsichtiger als wir es für uns selbst sind. „Da wär ich gar nicht drauf gekommen, ist aber eine gute Idee. Probier‘ ich mal aus.“ Und das ist erst der Anfang. Und der hat bereits Auswirkungen auf die Zukunft. Die kommt nämlich jetzt bereits mit konkreten Vorschlägen von vorne auf uns zu. Sie kommt herangerauscht mit konkreten Empfehlungen und Optionen. Da braucht’s gar keine eigenen Träume mehr, denn sie wird uns serviert. „Unsere“ Zukunft wird uns peu a peu abgenommen, sie wird uns enteignet. Es geht insofern zukünftig nicht mehr um Zukunftsträume, sondern es geht um das Management derjenigen Zukünfte, die uns möglich sind, wie sie uns angeboten oder untergejubelt werden.

Wenn wir Suchmaschinen weiter so exzessiv vergöttern, dann werden diese wohl zum Gott unserer Zukunft. So hatten wir uns die Zukunft zwar womöglich nicht vorgestellt, aber so schaut sie aus. Enteignet, uns abgenommen. Und dabei zugleich berauschend passend und vielfältig. Wehe dem- oder derjenigen, der oder die da nicht schwach wird.

Ist das die Zukunftsmusik, die uns gefällt?

Kategorien: Gesellschaft

1 Kommentar

Alexander Klier · 31. Oktober 2016 um 9:28

Na ja, bei mir passen die zukünftigen Vorschläge nicht wirklich gut. Bin ich mir deshalb selbst auch undurchsichtig? Schöner Blogbeitrag.

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