Führungskräfte fühlen sich häufig im Sandwich unterschiedlicher zeitlicher Anforderungen. Zudem beklagen sie es oft, fremdgesteuert zu sein und keine Zeit für sich selber zu haben. Und gewähren zugleich allen Zugriff auf ihre Kalender. Und erfüllen und übererfüllen oft die Erwartungen. Dies geht zu Lasten ihrer Eigen- und häufig auch ihrer Beziehungszeiten, also der wichtigen Zeiten mit Familie und Freunden. Ein guter Umgang mit der Zeit bedeutet immer auch die Herausforderung, sich abzugrenzen. Auch gegenüber anderen zeitlichen Erwartungen. Heute versuchen viele Manager und Führungskräfte diesem Dilemma über Vergleichzeitigung zu entkommen. Sie arbeiten in Workshops und bei Telefonkonferenzen nebenher ihre Mailfluten ab. Mal abgesehen davon, dass das weder der einen noch der anderen Sache dient noch für sie selbst witzig ist, sind auch die Möglichkeiten der Vergleichzeitigung begrenzt. Durch solche Kompensationsanstrengungen wird das Problem eher auf eine andere, höhere Ebene gebracht. Es wird  verschärft.

Letztlich läuft das Bedürfnis, angemessene Zeit für die eigentliche Führungsaufgabe und zudem selbstbestimmte Zeiten für sich, für Familie, Freunde und Hobbies zu haben, ganz lebenspraktisch darauf hinaus, sich abzugrenzen. „Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein“ – heißt der etwas abgenudelte Spruch dazu. Das heißt – auch wenn es mir schwerfällt – dass ich eigene Grenzen setzen und nach außen markieren muss. Anders ist es unmöglich, sich eigene „zeitliche Biotope“ einzurichten. Die können ja wirklich ganz klein sein: Sich 5 Minuten ungestörte Zeit nehmen, kurz die Augen schließen und eine kleine Phantasiereise machen an einen Ort und in eine Zeit, der oder die einen emotional positiv berührt. Sprichwörtlich dabei bewusst durchatmen. Zurückkehren in die Situation, eine aufrechte Haltung einnehmen und dann mit neuer Energie und zeitlich gelassen die Arbeit fortsetzen. Oder rituell mittags eine kleine Spaziergangsrunde drehen. Geht auch 😉

Stattdessen versuchen viele Menschen in Leitungspositionen es mit (mehr) Zeitmanagement. Das ist verständlich. Ebenso wie das dahinterliegende Bedürfnis nach Sicherheit. Denn Zeitmanagement bedeute ja, Pläne zu machen – und Pläne geben Sicherheit. Den meisten Menschen jedenfalls. Und insbesondere solchen, die sich beruflich in Unsicherheitslagen bewegen. Und das ist bei Managern und Führungskräften heutzutage massiv der Fall. Zudem ist Planung etwas, dass ihnen bekannt ist und ihnen in vielen anderen Situationen geholfen hat und tagtäglich hilft. Sie werden ja dafür bezahlt, etwas zu managen. Und ein Anteil von managen ist Planung. Insofern passt Zeitmanagement zu ihrem Erfolgskonzept und ist noch immer sehr beliebt. Auffällig ist zudem, dass die Nachfrage zunimmt – kein Wunder, bei dem ganzen Stress, der da veranstaltet wird in Organisationen, die flexibel und neuerdings agil sein wollen. Meistens gibt es auch Anfangserfolge. Da werden Prioritätenlisten und –systeme entwickelt und dann brav abgearbeitet. Das nutzt sich dann meistens „mit der Zeit“ ab und rückt in den Hintergrund – weil dann doch anderes wichtiger ist. Oder weil der Plan gerade nicht zur Situation passt. Denn die Wirklichkeit ist ja meist anders als die Planung. Und wenn dann das Zeitmanagement scheitert, ist die Ratlosigkeit groß. Führungskräfte fühlen sich dann oft völlig machtlos und geraten in verzweifelte Positionen, werten sich und andere ab, werden zynisch, entwickeln vermeintlich entlastende Suchtmuster – hier reicht die Spannbreite von Marathon bis zum guten Rotwein – und nehmen sich dann den Burn-out. Und haben dann endlich mal Zeit für sich in der Reha-Klinik. Das ist zugespitzt, aber gar nicht so selten. Ebenso wenig wie körperliche Auswirkungen wie Rückenbeschwerden, Bandscheibenvorfälle, Tinnitus-Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Störungen usw. Da wird es Zeit für die Zeit.

Alternativ zum sogenannten Zeitmanagement setze ich bei den (zeitlichen) Bedürfnissen an. Und tauche ab auf die emotionale Ebene. Führungskräfte fragen sich dann: Was brauche ich mit welchem Bedürfnis? Welches meiner grundlegenden (zeitlichen) Bedürfnisse wird in meinem Führungs- und Lebensalltag womöglich verletzt? Wie ticke ich als einzigartige Person wirklich?

Auf Basis der dabei entstehenden Klarheit können Führungskräfte konkrete zeitliche Auswirkungen formulieren und sie für sich als ihre ganz persönlichen „Zeitumstellungen“ festschreiben. Führungskräfte, die sich darauf einlassen, formulieren solche bedürfnisorientierten Zeitumstellungen innerhalb derjenigen Zeitdimensionen, in denen sie sich bewegen. Das sind fünf, nämlich: Eigenzeiten, Beziehungszeiten, Aufgabenzeiten, Organisationszeiten und Kulturzeiten – eingebettet in die Naturzeiten.

Zeitliche Bedürfnisse

Innerhalb der Zeitdimensionen skalieren sie sich in ihren Bedürfnissen – und zwar bezogen auf:

Person (Eigenzeiten):

unabhängig – bezogen

Beziehung (Sozialzeiten):

nah – distanziert

Aufgabe (Aufgabenzeiten):

sachlich – kreativ

Organisation (Organisationszeiten):

spontan – organisiert

Kultur (Kulturzeiten):

bewahrend – flexibel

und

Umwelt (Naturzeiten):

stimmig – unstimmig

Wenn klar ist, wie die Bedürfnissituation ist, dann wirken auch die daraus abgeleiteten konkreten Konsequenzen, weil diese genau zur jeweiligen Person und ihren Bedürfnissen passen. Und es kommt zu produktiven und nachhaltigen Zeitumstellungen.

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Frank Michael Orthey: Zeitumstellung. Für einen guten Umgang mit der Zeit. Haufe-Lexware.

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Kontakt zum Autor:

Das Seminar „Wege zur persönlichen Zeitumstellung“ finden Sie hier.


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